Erinnerungskultur im Roman: Vorlesung und Gespräch mit Ron Segal

Erinnerungskultur im Roman: Vorlesung und Gespräch mit Ron Segal

Am Donnerstag, den 23.01.2025, nahm unser Geschichts-Leistungskurs der Q1 an einer Lesung des israelischen Filmemachers und Schriftstellers Ron Segal an der Elly-Heuss-Schule teil. Die Veranstaltung wurde vom Stadtarchiv Wiesbaden sowie der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden im Kontext des internationalen Holocaust-Gedenktages am 27.01. organisiert.

Im Zentrum der Veranstaltung stand Segals Debütroman ,,Jeder Tag wie heute´´ aus dem Jahre 2014.  In dem Roman sucht Segal nach einer Möglichkeit, die Erinnerungen an die Zeit des NS-Regimes zu vergegenwärtigen, auch wenn die Anzahl der Zeitzeugen schwindet. Der Protagonist seines Werkes ist der 90-Jährige israelische Schriftsteller und Holocaust-Überlebende Adam Schuhmacher, welcher nach Berlin reist, um für eine deutsches Literaturmagazin seine Geschichte aufzuschreiben. Jedoch leidet er unter Alzheimer, wobei sich Gedächtnislücken immer wieder bemerkbar machen. Segal zieht von den Erinnerungsschwierigkeiten Schuhmachers eine Parallele zu seinem eigenen Herantasten an das Thema als junger Mensch, welcher versucht, die Erinnerungen einerseits weiterzuführen, aber anderseits für die heutige Zeit neu zu erfassen.

In der anschließenden Fragerunde bekamen wir nochmal einen tiefgreifenderen Einblick in das Leben von Ron Segal. Dabei war sehr beeindruckend, dass er sich jeder Frage annahm und sie stets umfassend beantwortete. So erfuhren wir unter anderem, dass er im Zuge der Romanarbeiten rund 200 Zeitzeugeninterviews der USC Shoah Foundation von Steven Spielberg ausgewertet hat. Dabei ist die Aussage eines Interviewten besonders eindrucksvoll, welcher den Begriff „Holocaust-Träger“ anstelle des geläufigen Begriffs „Holocaust-Überlebender“ vorziehe, um die Langzeitwirkungen des Erlebten zu verdeutlichen. Des Weiteren äußerte sich Segal zur Aktualität des Antisemitismus und erläuterte seine Haltung zum israelisch-palästinensischen Konflikt. Als die Frage aufkam, wann die Verfilmung des Romans zu sehen sei, durften wir den Filmteaser sehen, welcher die starken Emotionen des Romans sehr treffend zum Ausdruck brachte. Die Arbeiten an der Verfilmung sind derzeit noch am Laufen und werden voraussichtlich in drei Jahre abgeschlossen sein.

Insgesamt waren die Vorlesung und das darauffolgende Gespräch ein interessantes sowie teilweise auch überwältigendes Erlebnis. Durch das individuelle Schicksal des Protagonisten sowie dessen Gedächtnislücken gelingt es Segal einerseits die kollektive Leidensgeschichte des Judentums widerzuspiegeln, aber andererseits die Problematik einer Erinnerungskultur angesichts allmählich verscheidender Zeitzeugen auf den Punkt zu bringen. Ferner möchte er durch den Roman die emotionale Seite der Erinnerungen hervorheben sowie die Wichtigkeit aufzeigen, dass neben den Fakten auch die Erlebnisse und Gefühle der Überlebenden weitergegeben werden, um das Gedenken an den Holocaust auf neue Weise zu bewahren.

(Moritz Becker)

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