Erinnerungsorte der NS-Geschichte: Exkursion nach Nürnberg und Dachau

Erinnerungsorte der NS-Geschichte: Exkursion nach Nürnberg und Dachau

Die zweitägige Exkursion des Geschichts-LKs der Q2 von Herrn Laqua startete mit unserer Ankunft am Dutzendteich in Nürnberg. Was heutzutage auf den ersten Blick wie ein idyllisches Naherholungsgebiet mit zahlreichen Teichen und Seen, Alleen und grünen, weiten Wiesen wirkt, war ein wichtiger Schauplatz der NS-Propaganda in Deutschland. Das Reichsparteitagsgelände erstreckt sich über mehrere Kilometer und fungierte zwischen 1933-1938 als Gelände für die Parteitagsveranstaltungen der NSDAP.

In einem Rundgang erlangten wir einen Blick auf zentrale Bauten und konnten dadurch die Funktion von Architektur in der NS-Ideologie und -Propaganda vor Ort nachvollziehen: seien es die Tribünen des Zeppelinplatzes, sei es die „Große Straße“, welche durch ihre überproportionale, raumgreifende Anlegung ebenfalls Macht symbolisierte, sei es der Grundstein des geplanten Stadions, dessen Bau aufgrund des Krieges nie vollendet wurde – sie geben uns etliche Aufschlüsse über das Selbstverständnis, den Machtanspruch und den Größenwahn der Nationalsozialisten.

Anschließend besichtigten wir eine Ausstellung über Nürnberg von 1933-2020 im Dokumentationszentrum, welches sich in der riesigen „Kongresshalle“ befindet. Dort erfuhren wir, inwiefern Nürnberg von den Nationalsozialisten als die „deutscheste aller deutschen Städte“ beworben und ausgenutzt wurde und konnten viele Mechanismen der NS-Herrschaft – Terror, Propaganda und Gleichschaltung – an ihrem Beispiel wiedererkennen.

Aus dieser Besichtigung nahmen wir jedoch nicht nur vertieftes Wissen über die Vergangenheit mit, sondern stießen auch immer wieder auf den Kontrast der Bedeutung des Geländes in der Vergangenheit und seiner Nutzung in der Gegenwart. Denn das Reichsparteitagsgelände blieb in der Nachkriegszeit lange Zeit unbeachtet, es gab beispielsweise keinerlei Auskunftstafeln über die Bedeutung dieses Ortes. Später versuchte man keinesfalls Möglichkeiten für eine Glorifizierung oder Verehrung des Geländes zu schaffen. Heute wird das Gelände vielfach als Freizeitpark genutzt. So konnten wir sehen, wie ein Kanuverein am See, Autorennen auf dem Zeppelinplatz oder Festivals wie „Rock im Park“ ebenso zum Gelände gehören wie die Erinnerung an dessen Funktion während der NS-Herrschaft. Dadurch wurden wir auch von der Frage nach den Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Erinnerungsort und Freizeitort sowie Banalisierung und Glorifizierung bewegt.

Unsere zweite Etappe beinhaltete eine Außenführung am Justizpalast in Nürnberg, in welchem die Nürnberger Prozesse 1945 bis 1946 stattfanden. Dort erfuhren wir viel über den Ablauf der Prozesse; dabei konnte uns die Anleiterin auch viel über die persönlichen Strategien der Angeklagten während des Prozesses, die Zusammenarbeit der Siegermächte und die Kommunikation zwischen diesen und dem deutschen Volk vermitteln. Es ging zudem um die (damalige) Frage, ob dem deutschen Volk eine Kollektivschuld zufiele und inwiefern die Prozesse ein rein symbolischer Akt blieben, der allein wenige führende Individuen belangen konnte.

Am Morgen des 25.06. 2025 fuhren wir in das ehemalige Konzentrationslager Dachau. Wir nahmen an einer ausführlichen und qualitativ hochwertigen Führung teil, die uns zeigte, wie Dachau als ein Ort des totalen Terrors und der „Entmenschlichung“ fungierte. Wissen aus dem Unterricht konnten wir hier anschaulich verknüpfen und sehen, wie die Nationalsozialisten ihre totale Herrschaft im ersten staatlichen Konzentrationslager praktisch vorbereiteten und mit ihr experimentierten. Wir erfuhren, wie sie die zynische Devise „Arbeit macht frei“ umsetzten: indem etliche Häftlinge in den umliegenden Firmen schwere, unbezahlte Zwangsarbeit verrichten mussten. Ebenso besichtigten wir das Lagergefängnis („Bunker“) als einen zentralen Ort des Terrors, an dem die SS verschärfte Strafmaßnahmen vollzog. In den Arrestzellen befanden sich zudem prominente Häftlinge, sogenannte „Sonderhäftlinge“, darunter zwischen 1941 und 1945 Martin Niemöller.

In den ehemaligen Ankunftsräumen und im Baderaum der Häftlinge sahen wir, wie die Nationalsozialisten Privatsphäre und Menschenwürde zunichtemachten. Die Nationalsozialisten nutzten dafür etliche weitere Instrumente, wie beispielsweise die Häftlingsabzeichen als paradoxe Symbole zur Veranschaulichung der individuellen Bedeutungslosigkeit; die unzureichende Ernährung und Kleidung der Häftlinge; die Einpferchung der Menschen in engen Baracken, ohne Raum, Hygiene oder das Gefühl, ein Recht auf Existenz zu haben.

Zuletzt besichtigten wir die Krematorien von Dachau. Getarnt als „Brausebad“ stellten sie anfängliche Vorreiter und „Versuchsobjekte“ der Gaskammern in Auschwitz und anderen Konzentrationslagern dar.

Außerhalb des Häftlingslagers befand sich das Ausbildungslager für SS-Offiziere, die sogenannte „Schule der Gewalt“, in welcher gelehrt wurde, wie Terror auszuüben sei. Heute befindet sich dort ein Ausbildungslager der bayerischen Polizei. Wieder stießen für uns Vergangenheit, Gegenwart, Vergangenheitsbewältigung und Erinnerungskultur aufeinander und sorgten für rege Diskussionen.

Die Besichtigung des ehemaligen Konzentrationslagers verdeutlichte uns, dass Geschichte auch eine Lehre über die menschlichen Abgründe ist und konfrontierte uns – stärker als dies im Unterricht je möglich wäre – mit der Frage nach unseren persönlichen Abgründen und der Frage, wo jeder Einzelne von uns ohne die „Gnade der Spätgeborenen“ gestanden hätte.

Was wir von dieser Exkursion mitnahmen, war nicht nur detailliertes, vertieftes Wissen, sondern vor allem die Erkenntnis, dass dieses Wissen jedem Einzelnen von uns eine Verantwortung für die Gegenwart gibt. Abschließend verdeutlicht wurde dies für uns bei der Besichtigung des Mahnmals auf dem Gelände des Konzentrationslagers mit den Worten „Nie wieder“.

(Lotta Liebau)

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