Wie schaffte es Hitler – vor dem Hintergrund der geplanten Massenvernichtung der Juden auf der Wannsee Konferenz 1942 – einen so großen Hass auf die Juden zu schüren? Nationalsozialistische Filmpropaganda diente hier als Mittel zum Zweck. Doch: Wie kann man mit einem Film die Zuschauer beeinflussen?
Die Q3 sah am 19. und 20. September 2022 gemeinsam mit dem Medienpädagogen und Filmkritiker Michael Kleinschmidt den nationalsozialistischen Propagandafilm „Jud Süß“ im Wiesbadener Murnau Kino, der 1940 von Veit Harlan inszeniert wurde.
„Jud Süß“ erzählt von dem Juden Joseph Süß-Oppenheimer, der Finanzberater des Herzogs Karl Alexander von Württemberg wurde, trotz des Judenverbots in der Stadt. Oppenheimer brachte den Herzog dazu, den Judenbann aufzuheben und stellte Dorothea, der Tochter des Landschaftskonsulenten Sturm, nach, die er später bedrängte und vergewaltigte, woraufhin sich Dorothea in ihren eigenen Tod stürzte. Daraufhin brach unter dem aufgebrachten Volk ein Aufstand los: Es forderte, dass die Juden die Stadt verlassen. Letztlich wurde Oppenheimer wegen Beischlafs mit einer Christin zum Tode durch den Strang verurteilt. Der Judenbann wurde wieder eingeführt und alle Juden mussten das Land verlassen.
Die Figur des Juden Oppenheimer wurde als hinterhältiger, geiziger und sexuell gieriger Mensch dargestellt. Der Film beinhaltete sehr viele antisemitische Vorurteile, die in Oppenheimer verkörpert wurden. „Das Ziel war es, Hass auf die Juden zu schüren“, verdeutlichte Kleinschmidt. „Der Film diente nicht nur als Unterhaltungsmittel, sondern gleichzeitig als Erziehungsmittel. Dabei ging es vor allem um die unsichtbare Propaganda im Film.“ Diese indirekte Manipulation begann schon bei der Wahl des Filmgenres: „Jud Süß“ war zum einen ein Melodrama, bei dem die Zuschauer gerührt das Schicksal von Dorothea verfolgten. „Dadurch erzeugte man starke Gefühle und gleichzeitig Hass auf den bösen Juden, der an allem Schuld war“, erklärte der Medienpädagoge. Zum anderen war „Jud Süß“ ein Historiendrama, denn „Joseph Süß-Oppenheimer hatte es wirklich gegeben. Allerdings sind die geschichtlichen Tatsachen verdreht und vieles erfunden worden, um die Juden zu diffamieren“, klärte Kleinschmidt auf. Zudem wurde der Zuschauer durch Kontraste im Film beeinflusst: Der deutsche („arische“) Karl Faber mit aufrechter, stolzer Haltung und deutlicher Sprache stand dem undeutlich sprechenden, gekrümmten, jüdischen Assistenten Levi gegenüber. „Man wollte den Zuschauer mit bestimmten Denkweisen überrennen“, erklärte Kleinschmidt, denn z.B. wurden alle jüdischen Sprechrollen, außer Oppenheimer, von Werner Krauss gespielt, wodurch suggeriert werden sollte: „Alle Juden sind gleich.“ Der Film erzielte damals bei der deutschen Bevölkerung die gewollte Reaktion, denn „die Leute waren damals in den Kinos aufgesprungen und wollten die Juden vertreiben“, erzählte Kleinschmidt. Erschreckend war, dass mehr als 20 Millionen Deutsche „Jud Süß“ damals freiwillig in den Kinos gesehen hatten.
Die Q3 empfand diese Vorstellung als sehr interessant und erschreckend zugleich. Der Abschlusssatz Kleinschmidts blieb uns allen noch präsent als wichtige Botschaft im Kopf: „Wir sind nicht dafür verantwortlich, was in der Vergangenheit passiert ist. Aber wir sind dafür verantwortlich, dass so etwas wie der Holocaust nie wieder passieren wird.“
(Tamina Berg)